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Bolivia movil, 19.08. - 27.09.2019
Mein Weg nach Bolivien begann gegen Ende des 9ten Semesters an der Goethe Universität Frankfurt. In einer Mittagspause kam meine Studienpartnerin Amira, geboren in Bolivien, aufgeregt zu mir. Sie erzählte mir vom FCSM und dem Projekt Bolivia movil. Sofort sollte ich meine Bewerbung einreichen. Ein paar Tage später waren wir beide an Bord für das kommende Jahr und pflegten fortan Kontakt mit Ekkehard. Er antwortete jeder Email so schnell, wie man sie kaum schreiben konnte.
Als die Reise nun näher rückte, trafen wir intensive Vorbereitungen. Gelbfieber und Tollwutimpfung sind obligatorisch für einen längeren Aufenthalt in Bolivien.  Auch was Kleidung, Sonnencreme und Insektenschutz angeht, waren wir vorbildlich ausgerüstet. Für die doch vielleicht kargen Unterkünfte nahmen wir auch jeweils einen Schlafsack mit, was sich im Nachhinein doch gelohnt hatte.
Und so ging es im August 2019 nun gemeinsam vom Frankfurter Flughafen über Madrid ins sonnige Santa Cruz. Dort verbrachten wir eine Woche vor Einsatzbeginn in der schönen Metropole. Recht trockene Hitze und 30 Grad im Schatten zeigten keine Spur vom „Winter“ der Südhalbkugel. Doch das sollte ich am Eisatzort relativieren.
Nach unseren 7 wohlverdienten Tagen Urlaub in Santa Cruz, die wir uns so kurz nach bestandenem Examen verdient hatten, ging es auf nach Sucre. Ekkehard empfing uns am Hostel in Sucre und wir verbrachten das Wochenende vor Einsatzbeginn mit ihm und den anderen 4 Voluntarios. Unser dreiköpfiges Team komplettierte Sandra, eine erfahrene Oralchirurgin, und auch Team 2, bestehend aus ZA Norman und den Studenten Fabian und Daniela lernten wir kennen. Alle waren wirklich verlässliche und reife Persönlichkeiten mit viel Humor und Abenteuerlust, was will man mehr.
Montag ging es dann los! Unsere Schule, die Sagrada Familia, wurde bezogen und wir quartierten uns in der geräumigen, aber quasi leeren „Bibliothek des Hauses ein. Über die 2 Wochen, in denen wir dort wirkten, mangelte es uns nicht an behandlungsbedürftigen Gebissen. Die Kinder naschten dauerhaft jegliche Variation kurzkettiger Kohlenhydrate, und so gab es viel zu tun. Von komplett zerstörten Milchmolaren über ruinierte bleibende Frontzähne und Molaren war alles zahlreich vertreten. Dennoch wurde immer mit System behandelt, und so wurde bei den Kindern jeweils erstmal ein Quadrant je Sitzung saniert. Sandra stand uns bei schwierigen Fällen immer kompetent und bestimmt zur Seite, und so konnten Amira und ich die Tage extrem viel lernen, bis es aufs Land rausging.
Wir verließen nun nach den ersten 2 Wochen die Stadt Sucre und machten uns auf den Weg in die Dörfer der Provinz Chuquisaca. 2 Dörfern sollten wir jeweils 2 Wochen unsere Hilfe anbieten. Wieder wurden wir in den Schulen untergebracht, wo wir nun die Schulkinder und auch die Dorfbewohner der ca. 150 Menschen starken Siedlungen behandelten. Hier bemerkte man direkt die Dankbarkeit der Menschen. Die Lehrer, Kinder und Angehörigen der Schule in Sayanchaca taten ihr Bestes um für uns zu sorgen. Mehrfach am Tag wurde frisch für uns gekocht und auch schon Wochen vor unserer Ankunft wurde mit Eltern und Kinder der Ablauf mit den deutschen Zahnärzten besprochen. Was uns in der Stadt an mangelnder Organisation doch zwischendurch die Arbeit erschwerte, war hier perfekt gelöst. Die Kinder besuchten uns den ganzen Arbeitstag immer in kleinen Gruppen, die gut zu handhaben waren. Und so machten wir uns auch hier 2 Wochen lang hochmotiviert ans Werk und waren jeden Abend ganz erfüllt von unserer Leistung und der Hilfe, die wir den Menschen bieten konnten. Und das inmitten der wunderschönen Natur der Anden! Nach Woche 1 in Sayanchaca nahmen wir Abschied von Sandra und nahmen Bernd in unser Team auf. Er war ein absolut würdiger Nachfolger und war mit seiner lockeren, humorvollen Art einfach eine absolute Bereicherung für uns.
Unsere Letzten 2 Einsatzwochen verbrachten wir dann in Paraqty, ca. 20 km entfernt und in der nähe der Kleinstadt Zudanez. Hier war die Umgebung einfach traumhaft zum Wandern und entdecken. Trotz der Höhe von Knapp 2700m waren die Temperaturn sehr angenehm, tagsüber bis zu 25 Grad, und auch nachts meist noch über 10. So ließ es sich im Schlafsack trotz fehlender Heizung wirklich noch prima aushalten. Hier hatten wir jedoch nur ein kleines Zimmer mit doch sehr durchgelegenen Kinderbetten. Aber da muss man durch, man kommt ja nicht zum Schlafen!
Dies hätte man aber durchaus von den für uns zuständigen Lehrern in Paraqty denken können. Arbeit gab es genug, nur hätten wir uns manchmal ein bisschen mehr Unterstützung seitens des Schulpersonals erhofft. So organisierten wir uns Die Patienten mehr in Eigenregie, hatten aber dennoch alle Hände voll zu tun. Ähnlich wie in der Stadt war auch hier die Mundhygiene teilweise katastrophal. Wie auch in den vorangegangenen Wochen machten wir uns ans Werk und legten Füllung um Füllung, extrahierten hoffnungslose Zähne und zeigten den Kindern, wie man seine Zähne richtig pflegt.
Von Paraqty aus machten wir uns nach Feierabend oft auf ins nahegelegene Zudañez, wo wir uns dann ein traditionelles Abendessen gönnten. Die bolivianische Küche versteht definitiv etwas von Hausmannskost, und so bekamen wir stets einfache Gerichte mit viel Geschmack für wenig Geld.
Unsere Wochenenden verbrachten wir dennoch am liebsten in der Hauptstadt. Hier gibt es wirklich viele Möglichkeiten. Und wenn einem die zahlreichen Restaurants, Bars und Museen nicht ausreichen, so kann man wunderbar Ausflüge nach Potosí oder auch Uyuni unternehmen, was wir auch gerne in Angriff nahmen. Vor allem Uyuni sollte jeder, wenn er den Bolivien besucht, auf seiner Liste haben. Die unendlichen weiten der Salar sind einfach höchst eindrucksvoll und die Anden auf über 5.000 m mit den wilden Llamaherden unbeschreiblich.
Für mich war meine Zeit in Bolivien eine absolut wertvolle Erfahrung. Das unentgeltliche Arbeiten im Rahmen eines Hilfsprojektes, wie es der FCSM bietet, ist einfach überaus erfüllend und gibt einem eine gewisse Erdung und einen Blick über viele Kleinigkeiten und Probleme des Alltags hinaus.
An dieser Stelle nochmal ein riesiges Dankeschön an meine Projektkollegen, auf die immer Verlass war und an Ekkehard, der sowohl vor Ort, als auch im Vorlauf des Projektes per Email immer alles für einen stressfreien Ablauf tat!
Hagen Theißinger
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