Körber, Wiebke - FCSM-WEB-Seite

Direkt zum Seiteninhalt

Körber, Wiebke

Erfahrungsberichte > Archiv
Leonie Fiege & Wiebke Körber: Huancarani, 28.November – 21. Dezember 2016

Hallo an alle fcsm-Interessierten!
Wir sind zwei frischgebackene Zahnärztinnen aus München und wurden auf die Arbeit des fcsm über einen unserer ehemaligen Assistenzzahnärzte in der Uni aufmerksam, der ebenfalls nach seinem Examen bei einem der Projekte mitarbeitete. Während unserer Examenszeit entschieden wir uns dazu, wenn wir das Examen in der Tasche haben nach Bolivien zu gehen. Wir nahmen Kontakt zu Ekkehard auf und unser Einsatzzeitraum im November/Dezember 2016 stand schon bald fest.
Wir reisten drei Wochen vor unserem geplanten Einsatz an und besuchten die Escuela Runawasi in Cochabamba, um unsere Spanischkenntnisse auszubauen. Nach 5 Tagen Intensiv-Sprachkurs begann für uns die Reise durchs Land. Wir hatten nur 10 Tage Zeit, wollten aber soviel wie möglich von Bolivien sehen, deshalb erlebten wir einen aufregenden Trip von La Paz über Copacabana, durch die Salzwüste, über Potosí nach Sucre...geprägt von mehrstündigen, nächtlichen Busfahrten, teils bequem, teils weniger...und bei mir persönlich der Freude über eine Packung Imodium akut auf eben diesen;) Es war eine kurze und auch anstrengende Tour, aber wir haben Bolivien, dieses Land, das wir vorher nur von der Landkarte kannten, erlebt und erfahren, wie schön und außergewöhnlich seine Natur ist. Erschöpft und begeistert von diesen 10 Tagen ging unser Abenteuer weiter..

Am 25. November wurden wir von José nach Huancarani, unser neues Zuhause für die nächsten knapp vier Wochen gefahren. Hier lernten wir Johann und seine Frau Susanne kennen, die wir nun ablösen sollten und Jan, den Zahntechniker, der schon lange in Huancarani war und den es jetzt leider weiterzog. Johann und Susanne zeigten uns alles, was wir wissen mussten, um „den Laden“ die nächste Zeit allein zu schmeißen und wir waren froh, Johann nochmal für einen Nachmittag über die Schulter schauen zu dürfen und uns ein paar Tricks abschauen zu können.
Am nächsten Morgen verließen uns die beiden liebenswerten schwedischen Schwaben. Wir nutzten das Wochenende, um uns mit allem in der Praxis in Ruhe vertraut zu machen und bezogen unser Zimmer im Apartamento der Voluntarios. Dieses kleine Apartment ist mit allem ausgestattet, was man braucht, um sich wohlzufühlen. Und trotz fehlendem, fließenden Wasser und unser Nachbarin der Kuh, die für uns jeden Morgen den Wecker ersetzte, fühlten wir uns hier schon bald wie Zuhause!
Doña Adela kochte uns jeden Tag zwei warme Mahlzeiten und wurde für uns zu unserer „Mamá boliviana“. Egal, was es war, wir konnten mit allem zu ihr kommen und sie versuchte uns zu helfen. Sie kochte immer extra etwas Vegetarisches für uns, auch wenn sie es nicht so ganz verstand. Sie erzählte uns Geschichten von früher, die uns wieder einmal zeigten, wie glücklich wir uns schätzen können, so eine unbeschwerte Jugend gehabt zu haben. Sie war sofort zur Stelle, wenn wir im Consultorio einen Patienten hatten, der kein Wort Spanisch konnte und auch mit unseren kläglichen Quechua-Versuchen nicht wirklich viel anfangen konnte. Doña Adela ist das Herz ihrer Familie und während unseres Aufenthalts machte sie uns zu einem Teil dieser. Wir sind sehr froh, diese herzliche und liebe Frau kennengelernt zu haben.

Wir waren ein bisschen aufgeregt vor unserem ersten Behandlungstag. Schließlich waren wir beim Behandeln noch nie komplett auf uns allein gestellt gewesen. Allerdings legte sich diese Aufregung relativ schnell und wir entwickelten unseren eigenen routinierten und organisierten Behandlungsablauf. Wir wechselten uns fast immer mit der Behandlung ab und assistierten uns gegenseitig. Da wir dies in der Uni schon getan hatten, waren wir ein eingespieltes Team und praktischerweise haben wir auch unterschiedliche Lieblingsgebiete. Leonie kümmerte sich um die noch ausstehenden Prothesen und machte mehr Endos und ich zog Zähne und behandelte die Kinder von der etwas ungeduldigeren Sorte;)
Wie schon von unseren Vorgängern beschrieben, wurden unsere Vorstellungen, was die Mundhygiene in Bolivien angeht, noch übertroffen. Wir haben Dinge gesehen, die wir aus keinem Lehrbuch und keinem klinischen Fall in Deutschland kannten. Da gerade Ferienzeit war, kamen viele Kinder zu uns in die Behandlung, und es war traurig, bei einem 2-jährigen Kind keinen einzigen kariesfreien Milchzahn vorzufinden oder bei 8 bis 10-Jährigen völlig zerstörte Molaren extrahieren zu müssen. Wir versuchten durch viele Mundhygieneinstruktionen, gratis Zahnbürsten und -pasta und kleine „regalitos“ bei den Kindern ein bisschen Motivation zu schaffen und ihnen die Angst vorm Zahnarzt zu nehmen. Ein Vater erklärte uns, dass man Kindern in Bolivien, wenn sie nicht artig sind, damit droht, mit ihnen zum Zahnarzt zu gehen, wo es dann wehtut. Pädagogisch nicht gerade optimal..
 
Viele Patienten hatten quasi ein ganzes Gebiss zu sanieren, und da wir noch nicht besonders schnell arbeiten und den Patienten keine zu langen Sitzungen zumuten wollten, mussten viele sehr häufig wiederkommen. Aber zu unserer Freude taten das die meisten, so dass wir in den knapp vier Wochen sozusagen einige Stamm-Patienten hatten.
In unserer letzten Behandlungswoche vor Weihnachten war es ein bisschen, wie beim Schlussverkauf. Scheinbar wollte jeder vor Weihnachten nochmal seine Zähne in Ordnung bringen lassen. Einige Patienten warteten schon um 7 Uhr morgens vor der Tür zum Consultorio, um dran zu kommen, obwohl wir erst um 9 Uhr aufmachten. Wir taten unser Bestes, behandelten einmal sogar bis halb 10 abends. Aber wir mussten auch einige Patienten wieder nach Hause schicken, da wir einfach noch nicht die schnellsten Behandler sind. Aber die Leute waren uns nicht böse. Sie waren sehr verständnisvoll und dankbar und kamen einfach am nächsten Tag wieder.

Der Tag unserer Abreise kam und wir begaben uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge wieder auf die lange Reise nach Hause. Wir freuten uns auf unsere Familie und auf eine ausgiebige Dusche, aber es war traurig, unser Zuhause in Huancarani zu verlassen. Viele Patienten waren uns sehr ans Herz gewachsen und wir hätten sie gern weiter begleitet. Adela und ihr Mann Felipe brachten uns zum Flughafen, aber wir sagten nicht Lebewohl, sondern bis bald:)
Denn wir sind uns sicher, dass wir wiederkommen! Wir waren nur knapp sieben Wochen in Bolivien, aber was wir gesehen und erlebt haben, hat uns teilweise den Atem geraubt, die Sprache verschlagen, zu Tränen gerührt, über uns hinauswachsen lassen und unseren Horizont erweitert. Wir sind uns auch mal unglaublich auf den Keks gegangen, aber auch noch viel mehr zusammen gewachsen, da wir jetzt Erlebnisse und Erfahrungen teilen, die wir nie wieder vergessen werden. Wir können nur jeden, der mit dem Gedanken spielt nach Huancarani zu fahren, darin bestärken! Für uns war es eine einzigartige Erfahrung, die wir nicht mehr missen wollen.
Leonie&Wiebke
Zurück zum Seiteninhalt