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Geiger, Sebastian

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Bolivia movil vom 26.02. - 23.03.2018

QUÉ BUENO! Wie schön! Richtig gut.
Nach Sucre/Bolivia kam ich Samstag, den 24.02., um eine wunderzaubrige, input- und outputreiche Zeit vor mir zu haben. Zunächst verbrachte ich das Wochenende in Sucre, wo mich Ekkehard empfing, in Hinterhof-Restaurants und Landesüblichkeiten einführte, sowie den gemeinsamen Rum-Genuss mit mir pflegte. Ein toller Start! Nebenbei haben wir darüberhinaus natürlich Einzelheiten zum Projekt besprochen und Vorbereitungen für die kommenden Tage und Wochen getroffen. Ich habe mich sofort sehr wohl gefühlt in Sucre, eine geschichtsreiche und pittoreske Stadt. Weiß poliert im Gegensatz zum Rest Boliviens. Lockende Märkte, bestaunenswerte Aussichten und westliche Annehmlichkeiten machen einem das Ankommen leicht, und auch als erster
Einsatzort war Sucre ausgezeichnet ausgewählt um sich zurecht zu finden in Bolivien, und eventuell notwendige Vorbereitungen/Besorgungen für die anschließenden Wochen zu tätigen. Die Unterbringung war im Hostal "Corona Real", ein wahrhaft königliches Erleben von aufbrausend zuckenden Stromschlagduschen und urig knarzendem Holz. Meine beiden Projektpartnerinnen Sophie und Helena waren das Wochenende über noch mit den drei anderen aus dem 2. Team in Potosí und kamen sonntags erst spät zurück nach Sucre,weshalb wir uns dann endlich Montag morgens das erste Mal beschnuppern durften…
Ach, das erste gemeinsame Frühstück… Mädels! Eine wunderbare Zeit brach an. Während meiner ersten Woche in Sucre behandelten wir in einer Schule des Trägers „Fe y Alegría“, wo ich unsere Ausrüstung, bestehend aus über 10 Koffern/Kisten, bereits aufgebaut und vorbereitet vorfand. Eine mobile zahnärztliche Einheit mit Turbine, Mikromotor, Püster, äh sorry,
Multifunktionsspritze und Polymerisationslampe, dazu ein eigentlich verstellbarer (aber in einer Position festgefahrener) Behandlungsklappstuhl, Absaugung und alle Instrumente für Kons, sowie einfache Chirurgie, ein Heißluft-Steri und Ultraschall für Zahnreinigungen. Dafür, dass alles ausgelegt ist, transportabel zu sein und man dementsprechend den ein oder anderen Kompromiss mit gelernten Grundsätzen zahnärztlicher Behandlung eingehen muss, war es doch erstaunlich, wie viel und gut ausgesuchtes Instrumentarium zur Verfügung stand. Die Schule stellte uns einen sauberen Raum zur Verfügung und die Schüler suchten uns nach Bedarf auf. Es gab zwar bei den meisten Behandlungsbedarf, jedoch auch schon einige zu verzeichnende Vorbehandlungen,
sodass wir neben (meist Milchzahn-)Extraktionen, Füllungen und Zahnreinigungen auch (erweiterte) Fissurenversiegelungen durchführten.
Helena, Sophie und ich spielten uns schnell ein, hatten viel Spaß bei den Behandlungen, und nach anfänglicher Zurückhaltung seitens der beiden wuchsen ihre Selbstbewusstseine schnell an, sodass sie kompetent Behandlungsentscheidungen und -durchführungen beherrschten und im gleichen Zuge die unangebrachten, sprachwitzligen Herausforderungen ihres Vorgesetzten bezwangen. Meist wechselten wir uns bei den Behandlungen ab, die Zahnreinigungen wurden von je einer der beiden ebenfalls im Wechsel durchgeführt. Mittags war der Mercado "el Morro" unser Favorit, um zünftige Mahlzeiten zu genießen, Schwätzchen mit den Marktfrauen über Obstspezialitäten abzuhalten und nebenbei Blumen zu erstehen.
Die nächste Etappe führte uns nach Padilla, eine „Stadt“ also known as Dorf, ca. 4 Stunden Busfahrt von Sucre. Wir packten unsere Köfferlein und die 13 Kisten, um in eine von Bolivia movil bisher noch nicht erschlossene Region vorzudringen. Das ist schon echt ein tolles Gefühl, all die notwendigen Utensilien für eine zahnmedizinische Behandlung in einem Reisebus zu verstauen, um sie dann ein paar Hundert Kilometer weiter wieder auszupacken und bereit zu sein für die nächsten Patienten. Dieses Gefühl sollte uns auch die anschließenden Wochen begleiten und macht das Projekt wirklich charmant. In Padilla übernachteten wir in der Herberge direkt im Markgebäude, eine Unterkunft, die wir schnell lieben lernten ob der reichhaltigen und nahgelegenen kulinarischen Angebote (ich empfehle vom 1. Stock der Unterkunft direkt übers Eck der Balustrade in den Restaurantbereich des Marktes zu klettern).
Die ersten Tage in Padilla behandelten wir im Hospital, wo wir auf die dortigen Zahnärzte und Internos (Anm.d.Red.: Zahnärzte im Praktikum) trafen, die sehr hilfsbereit und entgegen-kommend waren. Wieder wurde uns ein Raum zugewiesen, um unseren Behandlungsplatz aufzubauen. Wir stellten jedoch schnell fest, dass die Patienten, die uns von der Klinikorganisation zugewiesen wurden, eigentlich auch genauso gut in den zwei dortigen Consultorios hätten behandelt werden können, und dass wir einige Zeit verloren mit dem sich Bekanntmachen des dortigen Aktensystems. Wie immer, wenn etwas zum ersten Mal organisiert, bzw. durchgeführt wird, muss man eben noch Verbesserungen vornehmen, und so lag es an uns, diese in Absprache mit der Klinikleitung und den Zahnärzten zu meistern….
Ein vor der Klinik stehendes Auto erhaschte schon bereits am Ankunftstag unsere Aufmerksamkeit und schwang sich schnell zum auserkorenen Objekt unserer Begierde empor: DAS DENTOMOBIL! Es war noch nicht ganz einsatzfähig und schon länger außer Betrieb, doch es wurde erstaunlich schnell fit gemacht für uns, und so stand einem erträumten Einsatz in dieser
fahrbaren Behandlungseinheit nichts mehr im Wege. Wir entschieden uns, je zwei Tage vor die dort befindlichen Schulen zu fahren und unsere Behandlungen den Schülern und Schülerinnen direkt vor Ort anzubieten. Wir wurden wirklich toll unterstützt vom Hospital Padilla, deren Zahnärzte, Internos und sonstige Mitarbeiter tatkräftig bei Koordination, Fahrzeugsteuern und Bewältigung des Papierkrames halfen. Die Schüler in Padilla hatten unsere Behandlungen durchaus etwas mehr nötig, als jene in Sucre. Unser Behandlungsschwerpunkt verschob sich mehr in Richtung Schmerzbehandlung, bzw. Zahnextraktionen, da viele stark zerstörte Zähne vorzufinden waren. Zusätzlich entwarfen wir bei abendlichen Weinverkostungen und Hundefütterungen eine Performance zum Thema Mundhygiene und zahnmedizinisch relevanten Ernährungsempfehlungen, mit der wir den Schülern vor allem etwas in kariesprophylaktischer Hinsicht beibringen wollten. Das war ein großer Spaß! "Ciao ciao caries".
Am Wochenende standen Abendprogramm mit den Internos/Singani an, sowie eine zauberhafte Wanderung mit Mireya, einer der Zahnärztinnen und ihren zwei Töchtern, sowie 2 Lieblingshunden.
Die letzte Behandlungswoche war ebenfalls ein Novum dieses Projekts und führte uns an sechs Tagen in vier unterschiedliche Orte. Wir packten erneut unsere Behandlungsausrüstung ein und fuhren mit einem 4x4 Jeep eine abenteuerliche Straße aus Bächen und Schlammlawinen, zunächst bis Tihumayu. Dies war klimatisch eher Regenwaldzone und dementsprechend heißer, moskitoreicher und grüner. Wir kamen im dortigen Mini-Hospital unter, wo wir die Krankenbetten für zwei Nächte bezogen. Erneut bauten wir unseren Behandlungsplatz auf und im Team mit dem dortigen Zahnarzt formten wir zwei Zweieruppen, um noch mehr Patienten behandeln zu können. Es war hier, wie auch an anderen Orten, sehr spannend einmal zu sehen, wie die dortigen Zahnärzte arbeiten und der Austausch auf fachlicher Ebene hat sicherlich beide Seiten weitergebracht und allen Spaß gemacht.
Wir wurden sehr nett bekocht und rückwendend haben sich ca. vierzig Moskitos bedankt, die meine Beine innerhalb einer halben Stunde ebenfalls zum Mittagsmahl nahmen. Das sich in den folgenden Tagen anschließende Ödem mit satter Entzündungsreaktion hatte es in sich und ich möchte jedem von Herzen und Beinen empfehlen, genug Repellentien mitzunehmen. Evtl. auch Moskitonetz (manchmal nicht leicht anzubringen), denn Malaria, Dengue und Zika machen dort die Runde. Nächste Station war Rosal für einen Tag. Wieder so ein Mini-Hospital, und wieder viele Menschen, die auf eine Behandlung warteten. Danach zwei Tage in Tabacal, ein verträumtes Dorf am Fluss, wo wir erneut mit dem dortigen sehr netten Zahnarzt kooperierten und nochmals eine Prophylaxe-Performance in der Schule machten. Unser letzter Behandlungstag war dann in Lampicillos, 20min Autofahrt von Padilla, wo wir letztmals im Dentomovil behandelten. Die letzten Zähne gefüllt, gezogen, gereinigt und schon war diese wunderbare Zeit zu Ende. Wir mussten anschließend nur noch zurück nach Sucre, um alle Ausrüstung zu verstauen. Gerne will ich mich stark machen für einen erneuten Einsatz in der Region Padilla. Meiner Meinung nach könnte man die Zeit in Tihumayu/Rosal/Tabacal und Lampicillos noch verlängern, da dort wohl eine zahnärztliche Versorgung im Vergleich am nötigsten ist, und auch da es logistisch und organisatorisch einfacher ist, mehr Zeit an einem Ort zu verbringen, anstatt alle ein bis zwei Tage auf- und abzubauen. Dementsprechend wäre eine Behandlungswoche in Padilla, sowie zwei „mobile“ Wochen in den anderen Orten als gutes Szenario vorstellbar.
Es war eine unvergessliche Zeit und ich möchte hiermit gerne noch einmal Danke sagen an alle die mitgeholfen haben: Ekkehard, der als Hauptverantwortlicher und nimmermüder Einsatzeigender alles möglich macht, und ohne den es das Projekt ja gar nicht gäbe. Wirklich tausend Dank dir für deine Arbeit!! Die Zahnärzte/Internos in Padilla: Mireya, Sonia, Adalit, Vito und Brayan für die tolle Unterstützung vor Ort. Auch Aiden und Mayer in Tihumayu bzw. Tabacal, die uns ebenfalls sehr geholfen haben. Genauso Don Arturo gilt mein Dank für seine Organisationsarbeit.
Finalmente quiero decir muchisimas gracias a Sophie y Helena!!!!!! Ich bin echt dankbar, Euch getroffen zu haben, und dass so eine tolle Freundschaft entstanden ist mit Euch. Ihr
seid zwei richtig tolle Menschen, und ich bin sehr stolz auf Euch und Eure Entwicklung während des Projekts!
Auf bald!
Sebastian Geiger
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